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Um das Thema Muskelkater ranken sich seit jeher viele Mythen. Woher kommt es nur, dieses gemeine, schmerzhafte Gefühl in den Muskeln am Tag nach einem gelungenen, harten Training? Ist es wirklich ein Zeichen dafür, dass man den Muskel richtig trainiert hat und er nun kräftig zu wachsen beginnt? Es gibt noch viele weitere solcher Fragen, die im Folgenden geklärt werden. Auch wird mit vielen Mythen und Werbeversprechen bezüglich des Vermeidens oder des Linderns des Muskelschmerzes aufgeräumt.

 

Grundlagen des Muskelaufbaus

 

Grundsätzlich unterscheidet man im menschlichen Körper zwischen drei verschiedenen Arten von Muskeln.

–          Herzmuskel

–          Glatte Muskulatur

–          Quergestreifte (Skelett-)Muskulatur

Diese verschiedenen Arten der Muskulatur unterscheiden sich in zahlreichen zellbiologischen Eigenschaften, wie zum Beispiel Mitochondrienzahl, Anzahl der Zellkerne pro Zelle,Größe, etc.
Für uns im Kraftsport relevant ist allerdings primär die Skelettmuskulatur. Egal ob Bizeps, Latissimus, Quadrizeps oder Soleus, alle Muskeln, die beim Kraftsport trainiert werden um zu wachsen und leistungsfähiger zu werden sind Skelettmuskeln. Diese werden auch quergestreifte Muskeln genannt, was ihrem charakteristischen Aussehen unter dem Mikroskop[1] zuzuschreiben ist. Der Skelettmuskel ist folgendermaßen aufgebaut:

 

Sarcomere

 

Der Muskel ist umgeben von Nervenfasern und Muskelfaszie (Muskelhaut). Er besteht aus von Bindegewebe ummantelten Muskelfaserbündeln, von welchen jede Muskelfaser maximal 15 cm lang ist. Das besondere hierbei ist, dass jede Muskelfaser einer einzigen, riesigen Zelle entspricht. Zum Vergleich: Körperzellen sind im Durchschnitt zwischen 10 und 150 µm klein.
Jede Muskelfaser wiederum besteht aus gebündelten Myofibrillen, welche in Abschnitte aufgeteilt sind, sogenannte, circa 2 µm lange Sarkomere. Diese bilden die funktionellen Einheiten des Muskels und sind unabdingbar für das grundlegende Verständnis der Funktionsweise der Muskeln.

Das Sarkomer besteht aus drei wichtigen Abschnitten:

–          I-Band

–          H-Zone

–          A-Band

Die nebenstehende Abbildung[2] zeigt diese drei Abschnitte aufgegliedert in ihre jeweiligen Bestandteile (oben entspannt, unten kontrahiert):300px-Sarcomere.svg

Das I-Band besteht aus Aktinfilamenten und der die Sarkomere trennenden Z-Scheibe, die nachher noch besonders an Bedeutung für das Verständnis des Muskelkaters gewinnen wird.

Aktin ist ein Teil des Myosin-Aktin-Proteinmotors, welcher durch die Bewegung der Myosinköpfchen auf den Aktinfäden die Kontraktion des Muskels antreibt.

Die Z-Scheibe trennt die Sarkomere nicht nur, an ihr sind auch die Aktin- und Myosinfilamente verknüpft.

Die H-Zone bezeichnet den mittleren Bereich des Sarkomers, in welchem die M-Scheibe, an der das Myosin verknüpft ist und in welcher kein Aktin vorliegt.

Das A-Band (in der Abbildung nicht eingezeichnet) bezeichnet den Bereich, in welchem sich Myosin und Aktin überlagern.

Ein wichtiger Bestendteil des Sarkomers ist noch das Titin, welches wie eine Feder von Z- zu M-Scheibe führt und eine gewisse Grundspannung im Muskel aufrecht erhält, sodass der Muskel nicht einfach „erschlafft“ und besonders schnelle Kontraktionen möglich sind.

 

Ursachen des Muskelkaters

 

Per Definition entsteht Muskelkater durch Mikrorisse (-Traumata) in den Z-Scheiben der Sarkomere aufgrund ungewohnt hoher körperlicher Leistung[3]. Somit kann man also von winzigen Entzündungen im Muskel sprechen.
Dass Muskelkater entsteht, wenn man besonders hart oder auf ungewohnte Art und Weise trainiert, müsste jedem bekannt sein. Jedoch gehen viele fälschlicherweise immer noch davon aus, dass Muskelkater etwas mit der Übersäuerung des Muskels bei verstärkter Milchsäure- (Laktat-)Bildung zu tun hätte. Dies ist zu hundert Prozent falsch, Muskelkater und Muskelübersäuerung sind zwei vollkommen unterschiedliche physiologische Prozesse.

 

Trainieren mit Muskelkater?

 

Es ist wichtig zu wissen, was genau in unseren Sarkomeren bei Muskelkatern vor sich geht um zu verstehen, warum es alles andere als förderlich ist, über den Muskelkater drüber zu trainieren. Es ist eine Abfolge verschiedener Konsequenzen aus den Rissen in den Z-Scheiben, die Training mit Muskelkater unzweckmäßig machen:

Zuerst entstehen die genannten Mikrorisse in den Z-Scheiben. Daraufhin kommt es zu Proteinabbau, Wassereinwanderung und Schwellung in den Scheiben, was zusammen mit damit einhergehender schlechten Durchblutung des Muskelabschnitts Schmerz verursacht und nicht nur zu reflektorischen Verspannungen sondern auch Kraftverlust führt. Wer jetzt schweres Krafttraining der geschädigten Muskelgruppe trotz Muskelkater praktiziert, schädigt dem Muskel mehr als ihn aufzubauen. Dies ist eine vollkommen logische Tatsache, man würde wohl auch nicht erwarten, dass ein Riss in der Wand kleiner wird, wenn man darauf schlägt.

 

Kann man Muskelkater vorbeugen?

 

Grundsätzlich sagt schon die Definition des Muskelkaters genug darüber aus, warum man Muskelkater nicht wirklich vorbeugen kann: Wenn ein Muskel überlastet wird, weil er vorher nicht (so sehr) beansprucht wurde, entsteht Muskelkater. Mittlerweile ist auch in wissenschaftlich anerkannten Studien nachgewiesen worden, dass Muskelkater auch durch das so oft empfohlene Dehnen vor dem Sport nicht vorgebeugt werden kann[4]. Die einzige Möglichkeit, Muskelkater zu vermeiden, ist moderates Training, das sich langsam und kontinuierlich steigert um den Muskel so an schwere, neue Belastungen zu gewöhnen.
Es gibt allerdings zumindest die Möglichkeit, seinen Körper mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen, sowohl während des gesamten Tages, um dem vom Training angestrengten Körper die Möglichkeit zu geben, Verletzungen wie Muskelkater so schnell und gut wie möglich selbst zu heilen. Auch wurde in einer Doppelblind-Studie nachgewiesen, dass die Supplementation während des Trainings mit einem Kohlenhydrat-Protein-Mischgetränk den Muskelkater nach dem Training etwas vermindern kann[5].

 

Wie kann man Muskelkater behandeln?

 

Es gibt verschiedenste Tipps, Ratschläge und Hausmittel, die angeblich gegen Muskelkater helfen sollen. In einer Studie[6] wurden verschiedene Wege getestet, um Muskelkater zu behandeln beziehungsweise den durch die Entzündungen im Muskel hervorgerufenen Schmerz zu lindern. Getestet wurden pharmazeutische Präparate und Antioxidantien, welche sowohl die empfundenen Schmerzen als auch die tatsächliche Entzündung eindämmen konnten. Nicht-medikamentöse Methoden wie Massage, Stretching und Ultraschall wurden hingegen als weniger vielversprechend bezeichnet. Da jedoch der Einsatz von Pharmazeutika zum Lindern eines Muskelkaters eher unüblich und auch etwas unangemessen für die meisten Hobbysportler ist, raten Ärzte auch dazu, moderate Bewegung, zum Beispiel Spaziergänge oder warme Bäder zu nutzen um den Stoffwechsel und die Durchblutung anzukurbeln und den Muskel so besser mit Nährstoffen zu versorgen um seine Heilung zu beschleunigen. Nachgewiesen wurde die Effektivität dieser Methoden jedoch wie be

reits erwähnt nicht.

 

Ein effektives Mittel gegen Muskelkater ist zB das Zec+ Powergel HOT!

 

Ist Muskelkater ein Zeichen für ein gutes Training?

 

Dies ist wohl die zentralste und wichtigste Frage, die in Bezug auf den Muskelkater geklärt werden muss. Jedoch kann auch hier wieder einfach auf die Definition, beziehungsweise die Entstehung des Muskelkaters verwiesen werden, jedoch mit dem Zusatz, wie unser Körper die Mikrotraumata in den Z-Scheiben der Sarkomere repariert.
Wenn die besagten kleinen Risse entstehen, müssen diese wieder aufgefüllt werden,  dafür verwendet der Körper Protein, aus welchem die Z-Scheiben bestehen. Hier wird auch die Bedeutung einer ausreichenden Eiweiß-Versorgung für (Kraft-)Sportler deutlich. Durch das Auffüllen der entstandenen Risse wird die Z-Scheibe und somit das ganze Sarkomer und als Konsequenz dessen der gesamte Muskel stärker und widerstandsfähiger gegenüber den Belastungen, die zur Entstehung des Muskelkaters geführt werden.
Wichtig ist allerdings, dass Muskelkater nicht zwingend zum Muskelwachstum benötigt wird. Wenn, wie angesprochen, der Muskel langsam an Gewichtssteigerungen herangeführt wird und nicht davon „überrascht“ wird, kann man gezielte Hypertrophie auch ohne Muskelkater erreichen.

 

Zum Schluss: Alles Wichtige nochmal auf einen Blick!

 

–          Unsere Muskulatur besteht aus vielen, langen Zellen, deren Abschnitte, die Sarkomere, von Z-Scheiben getrennt werden

–          Bei übermäßiger Belastung entstehen Mikrorisse in diesen Scheiben à Muskelkater entsteht

–          Durch moderat gesteigertes Training kann Muskelkater verhindert werden

–          Auch richtige Ernährung ist für die richtige Funktionsweise und Regeneration des Muskels essentiell

–          Bis auf Pharmazeutika wirkt nichts effektiv, wenn Muskelkater entstanden ist, Massagen und anderes wirkt nur etwas unterstützend

–          Muskelkater ist ein Zeichen für Muskelwachstum, aber dafür nicht zwingend notwendig

Ich hoffe, mit diesem Artikel über alles Wichtige in Bezug auf das Thema Muskelkater geklärt zu haben, sodass Mythen, die teilweise immer noch darüber verbreitet werden, wieder etwas weniger Bedeutung zugemessen werden kann.

In diesem Sinne:
Bleibt fit – mit Plan!

 

Über den Autor:

Andreas Nino Galle ist Personal Trainer, Ernährungs- und Trainingsberater in Potsdam.
Außerdem ist er Blogger und Inhaber des Online Fitness Coaching Service „Fit mit Plan“.
Seit mehr als fünfzehn Jahren beschäftigt er sich mit seinem Geschäftspartner, Andreas Bosse, umfassend mit der Thematik Fitness und Ernährung.

 

 

 

 


[1] „Sarcomere“ von User:Sameerb – en:WP; Author User:Sameerb in English WP. Über Wikimedia Commons – //commons.wikimedia.org/wiki/File:Sarcomere.gif#mediaviewer/Datei:Sarcomere.gif
[2] „Sarcomere“ von Slashme in der Wikipedia auf EnglischWhen using this image in external works, it may be cited as follows:Richfield, David. „Medical gallery of David Richfield 2014“. Wikiversity Journal of Medicine 1 (2). DOI:10.15347/wjm/2014.009. ISSN 2001-8762. – //en.wikipedia.org/wiki/Sarcomere. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons – //commons.wikimedia.org/wiki/File:Sarcomere.svg#mediaviewer/Datei:Sarcomere.svg
[3] Silbernagl, Despopoulos; Taschenatlas der Physiologie, 8. Auflage, Thieme Verlag
[4] //www.bmj.com/content/325/7362/468?linkType=FULL&resid=325/7362/468&journalCode=bmj
[5] //www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17530986
[6] //journals.lww.com/nsca-jscr/abstract/2003/02000/treatment_and_prevention_of_delayed_onset_muscle.30.aspx